Sehen und verstehen, zwei Paar Schuhe - kognitive Verzerrungen im Online-Marketing

Hast du schon einmal von "Nudging", "Kognition" oder "Heuristiken" gehört? Wahrscheinlich schon. Doch weisst du auch, was damit gemeint ist? Wir zumindest wussten nicht so genau, was wir uns unter Wahrnehmungspsychologie und kognitiven Verzerrungen so vorstellen sollten. Doch ein Blick in die Thematik lohnt sich! Unser Hirn ist manchmal überfordert mit der Welt, weshalb jeder von uns einer Vielzahl von „Wahrnehmungsfehlern“ unterliegt. Wir haben dir ein Assortiment an solchen Verzerrungen zusammengestellt und verraten dir, wie du diese, mit etwas Geschick, positiv für dein Online-Marketing und -Vertrieb nutzen kannst.
Von: Hannes Gentz, Tom Kusio, Marisa Moser, Andrin Suter, Nicola Zimmermann
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Und was ist das jetzt genau?

Internationale Bestsellerlisten werden seit einigen Jahren immer wieder angeführt von Büchern wie «Langsames Denken, schnelles Denken», «Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstösst» oder «Die Psychologie der Dummheit». Nobelpreisträger wie Daniel Kahneman und Richard H. Thaler haben es geschafft, die breite Masse mit ihrer Forschung in den Bann zu ziehen. Doch, wovon reden all diese schlauen Bücher eigentlich genau? Und wie kommt es, dass an den Universitäten plötzlich Verhaltenspsycholog*innen die Wirtschaftswissenschaften revolutionieren und renommierte Preise in diesem Feld abräumen? [1, 2, 3]

Wir sehen uns selbst gerne als rational handelnde Wesen. Wir sind überzeugt, dass unsere Eindrücke und Erinnerungen der Realität entsprechen und dass wir objektiv sein können mit unseren Einschätzungen. Doch die Welt und unser Alltag sind schnelllebig und geprägt von Reiz- und Informationsüberflutung – wir sind schlicht überfordert.

Abbildung 1: Cognitive Bias Codex [5]

Um nicht in dieser Unmenge an Eindrücken zu ertrinken, nimmt unser Hirn ab und zu eine Abkürzung. Anders gesagt: wir verlassen uns auf unsere Intuition - unser Bauchgefühl - und werden dadurch Opfer kognitiver Verzerrung. Das erlaubt uns schnell und auch mit unvollständigen Fällen „gut genug“ zu entscheiden, führt uns aber auch hin und wieder aufs Glatteis [4].

Der Cognitive Bias Codex von Benson fasst die beinahe 200 (bis heute bekannten) kognitiven Verzerrungen zusammen und unterteilt diese in vier Gruppen. Benson sortiert die verschiedenen Effekte in Kategorien, abhängig davon welches der folgenden Probleme sie für uns vereinfachen [6]:

  • Problem 1: Informations- und Reizüberflutung
  • Problem 2: Sinngebung
  • Problem 3: Zeitdruck
  • Problem 4: Erinnerung

In diesem Blog-Post zeigen wir dir die Bedeutung von kognitiven Verzerrungen für das Online-Marketing auf und erklären dir anhand konkreter Beispiele, wie du diese Phänomene in deiner Arbeit selbst anwenden kannst. Vielleicht fällt dir ja beim Lesen auf, dass dir das eine oder andere aus der Konsumentenperspektive auch schon passiert ist.

Informations- und Reizüberflutung

Wie du deine Kundschaft richtig stimulierst

Die Grundaussage dieser Gruppe aus dem Cognitive Bias Codex lautet, dass es einfach zu viele Informationen und Reize gibt, die aus der Umwelt auf uns einprasseln. Mein und dein Gehirn ist nicht in der Lage diese eingehenden Signale alle standesgemäss zu verarbeiten, weshalb es auf einige Tricks zurückgreift [6]. Diese Tricks sollen uns helfen wenigstens ansatzmässig die (angeblich) wichtigsten Informationen und Reize herauszufiltern, damit wir diese für uns nutzen können. Oder führen sie gar dazu, dass wir aufgrund ausgeblendeter Informationen nicht die richtigen Entscheidungen treffen können?

Eine Untergruppe aus diesem Bereich fasst Verzerrungen zusammen, welche uns dazu verleiten Informationen einfacher zu erkennen, wenn diese in unser Hirn gebrannt sind oder wir wiederholt damit stimuliert werden [6]. Eine konkretes Beispiel hierzu ist der Mere-Exposure-Effekt. Der Mere-Exposure-Effekt sagt aus, dass wir eine initial neutral beurteilte Sache durch wiederholtes Antreffen mit der Zeit positiver beurteilen. Das bedeutet also zum Beispiel, dass du eine Person attraktiver und sympathischer findest, je mehr Zeit du mit ihr verbringst. Andersherum, wenn die bereits erwähnte Erstbewertung negativ (anstelle von neutral) ausfällt, führt dies dazu, dass sich diese negativen Gefühle verstärken und die Abneigung wächst [7].

Wenn wir das nun aufs Online-Marketing anwenden möchten, bedeutet dies, dass du deine Kund*innen bei jeder Gelegenheit mit deinem Produkt oder deiner Dienstleistung konfrontieren solltest. Gerade durch gezieltes Remarketing, kannst du alleine durch wiederholtes Schalten von personalisierten Anzeigen dafür sorgen, dass sich bei den Kund*innen die Präferenz erhöht und somit die Chance für ein Kauf steigt. Dir ist sicher auch schon aufgefallen, dass dich eine Anzeige über verschiedene Medien hinweg "verfolgt" (dargestellt in Abbildung 2). Das rührt daher, dass du durch Cookies von einer Website, bzw. einem Ad Server markiert und bei Besuchen an anderen Orten wieder erkannt wirst [8]. Zur Anwendung von Remarketing bieten sich beispielsweise Display-Anzeigen, oder auch direktes E-Mail-Marketing sowie Social-Media-Marketing an. Remarketing eignet sich insbesondere gut, da du weisst, dass die Kund*innen sich bereits deinem Produkt oder deiner Dienstleistung auseinandergesetzt haben [8]. Allgemein gesprochen ist die Empfehlung sicherlich, dass du alle möglichen Kanäle nutzt, damit deine Kund*innen bei jeder Gelegenheit mit der Sache konfrontiert werden.

Abbildung 2: Die Kund*innen bei jeder Gelegenheit erreichen [9]

Eine weitere Untergruppe befasst sich mit Verzerrungen, welche aussagen, dass wir Ungewöhnliches oder Überraschendes automatisch als relevanter einstufen. Im Umkehrschluss kann man sagen, dass wir Informationen, welche gewöhnlich oder erwartet sind, eher ignorieren [6]. Zwei Verzerrungen, die sich genau mit diesem Phänomen auseinandersetzen sind der Humor-Effekt und der Bizarrness-Effekt. Kernaussage der beiden Effekte ist, dass wir uns etwas, dass wir als lustig oder sehr ungewöhnlich empfinden, besser merken können. Bei Humor können sogar noch weitere positive Effekte dazu kommen wie die Reduktion negativer Emotionen, ein höheres Interesse am Inhalt oder die Aufheiterung des Empfängers [10, 11].

Die daraus resultierende Handlungsempfehlung für dich ist, dass deine Anzeigen oder Werbeaktionen aus der Masse herausstechen sollen. Dies gilt sowohl für Videoanzeigen z.B. auf YouTube, als auch für Werbeaktionen in der realen Welt. Unter anderem kann man diese den sogenannten Awareness-Kampagnen zuordnen, welche sich durch das Ziel auszeichnen, die Wahrnehmung und die Bekanntheit deiner Marke zu stärken [12]. Ob du dies über den witzigen Ansatz oder durch das Zeigen von etwas Ungewöhnlichem umsetzt, ist sehr situativ und abhängig vom zu bewerbenden Produkt. In diesem Zusammenhang kommt auch der Begriff des Guerilla Marketing ins Spiel, welches, wenn gut gemacht, zu viralen Effekten führen kann [13]. So vielversprechend die Chancen damit sind, so hoch ist auch das Risiko, dass entweder nicht die gewünschte Reichweite erlangt wird oder, dass eine falsche Interpretation zu extrem negativen Reaktionen führt.

Natürlich sind die Anwendungsmöglichkeiten von Humor und Bizarrness-Effekt nicht nur auf Werbeanzeigen beschränkt, sondern können sich beispielsweise auch in deiner Website-Konzeption oder deinem Content-Marketing wiederspiegeln.

Video: Witziger Spot "Fix the World" von Snickers

Abbildung 3: Ungewöhnliche und witzige Werbung am Beispiel Mini Cooper [14]

Sinngebung

Wie du mit Komplexität umgehen kannst

Unser Alltag ist von einer zunehmenden Komplexität geprägt und als Menschen können wir nur begrenzt Informationen aufnehmen. Wir versuchen daher auftretende Informationslücken zu schliessen, indem wir auf bestehende Erfahrungen und Eindrücke zurückgreifen.

Um Informationen zu deuten, suchen wir nach Mustern und Zusammenhängen. Dies macht uns empfänglich für logische Fehlschlüsse [6]. Ein Beispiel hiervon ist die Anecdotal Fallacy, welche impliziert, dass wir tendenziell anekdotischer Evidenz bevorzugen. Insbesondere fällt es uns oft einfacher, Aussagen auf Basis von individuellen Erfahrungen zu glauben, anstelle von komplexere Datensätze zu verstehen. Wir neigen daher dazu, uns an denen Informationen zu orientieren, die für uns greifbar sind [15]. Anekdotische Evidenz spielt folglich für das Marketing eine wichtige Rolle und kommt jeweils in der Form von Testimonials zur Geltung. Testimonials sind Aussagen von Personen, welche die Vorzüge und Qualitäten deiner Produkte und Dienstleistungen anpreisen. Die Wirkung einer solcher Botschaften besteht darin, dass sie uns dazu verleiten, allgemeingültige Schlüsse über ein Produkt oder eine Marke zu ziehen [16]. Für dein Online-Marketing bedeutet dies, dass du das wahrgenommene Kaufrisiko deiner Kund*innen reduzieren kannst, indem du gezielt Testimonials einsetzt. Insbesondere bei Produkten, welche einen hohen Anteil an Erfahrungseigenschaften aufweisen, können Testimonials das Vertrauen deiner Käuferschaft stärken [17].

Abbildung 4: Integration von Testimonials am Beispiel eines Online-Shops für Matratzen [18]

Oft ergänzen wir jedoch auch fehlende Informationen anhand von Stereotypen und Vermutungen [6]. Der Bandwagon Effekt beschreibt ein Phänomen, wonach Überzeugungen oder Ideen an Beliebtheit gewinnen, da diese bereits von anderen Menschen adoptiert wurden und somit auch eine gute Entscheidung für uns darstellen könnten [19]. Ähnlich zu Testimonials, kannst du auch den Bandwagon Effekt nutzen, um die Conversion in deinem Online-Shop zu verbessern. Um überzeugender zu wirken, kannst du beispielsweise Rezensionen veröffentlichen oder angeben, wie viele Produkte du bereits an glückliche Kund*innen verkaufen konntest [20, 21].

Tendenziell haben wir auch eine Präferenz für Sachen, die uns ansprechen und räumen diesen einen inhärent höheren Stellenwert ein [6]. Der Halo Effekt impliziert, dass Eindrücke von einem Unternehmen oder einem Produkt ebenfalls unsere Einstellungen gegenüber damit verwandten Bereichen beeinflussen können [22]. Solche positiven Assoziationen zu generieren, ist die Essenz des Marketings und daher auch relevant für die Wahrnehmung deiner Website und Produkten. Grundsätzlich vertrauen Kund*innen eher einer Website, die professionell und ansprechend gestaltet ist [23]. Ein positives Online-Einkaufserlebnis kann zudem dazu führen, dass Kund*innen auch deinen physischen Landen besuchen [24]. Es ist daher wichtig, die Multichannel Customer Journey deiner Kund*innen zu optimieren, um ein einheitliches Erlebnis über alle Kanäle und Touchpoints hinweg zu garantieren [25]. Der Halo-Effekt kann jedoch auch zu negativen Assoziationen führen. Wenn Nutzer*innen nämlich eine schlechte Erfahrung mit deiner Website machen, könnte es sein, dass sie diese nicht wieder besuchen möchten [26]. Um eine gute Website zu entwickeln, solltest du dir ein “Drehbuch” erarbeiten, worin du die Besuche deiner Nutzer*innen planst und die einzelnen Schritte der Customer Journey gezielt ausgestaltest [27]. Oft wird von Besucher*innen die Qualität der Suchergebnisse auf der Website als ein Proxy für die Qualität der Website und im Umkehrschluss die Qualität des dahinterstehenden Unternehmens verwendet [26]. Es ist daher wichtig, dass du auch Usability-Tests durchführst, um deine Website zu optimieren [23].

Zeitdruck

Wie du die Aufmerksamkeit deiner Kund*innen erhältst

Nachdem du bereits viel über kognitive Verzerrungen aus den Bereichen Informations- und Reizüberflutung sowie Sinngebung gelernt hast, geht es nun um das Problem des Zeitdrucks. Wir sind in unserem Alltag oft durch Zeit und Informationen eingeschränkt und werden deshalb dazu gezwungen, uns schnell zu entscheiden und zu handeln [6]. Anhand vom Hyperbolic Discounting und dem IKEA-Effekt möchten wir dir nun näher bringen, wie die Zeitkomponente unser Verhalten beeinflusst und welche Chancen diese beiden kognitiven Verzerrungen für das Online Marketing bedeuten.

Um fokussiert zu bleiben, bevorzugen wir das Unmittelbare, das vor uns liegt, gegenüber dem Entfernten [6]. Dieser Effekt wird auch Hyperbolic Discounting genannt. Er beschreibt die Neigung von Menschen, sofortige Belohnungen gegenüber zukünftigen Belohnungen zu bevorzugen, selbst wenn die sofortigen Belohnungen kleiner sind  [28]. Im Marketing wird der Hyperbolic Discounting Effekt eingesetzt, um Kund*innen zu ermutigen, aufgrund der sofortigen Befriedigung etwas zu kaufen. Nachfolgend zeigen wir dir einige Möglichkeiten, wie auch du in deinem Online-Marketing Auftritt von diesem Effekt profitieren kannst.

Abbildung 5: Unterschiedliche Zahlungsarten bei Zalando [29]

Befriedige die "Jetzt kaufen, später bezahlen"-Mentalität deiner Kund*innen. Dazu gibst du ihnen die Auswahl, dass sie mit Kreditkarte oder auf Rechnung bezahlen können. Die fast sofortige Befriedigung, die sie durch den Kauf des Produkts erhalten, überwiegt die finanziellen Kosten, die sie in der Zukunft aufbringen müssen [32].

Abbildung 6: Probeabo bei Netflix [30]

Biete deinen Kund*innen die Möglichkeit, Produkte kostenlos zu testen. Mit einem Probeabo kannst du ihre Begeisterung für deine Produkte wecken, während die Abogebühren erst später anfallen.

Abbildung 7: Zeitlich begrenztes Angebot von yallo [31]

Setze gelegentlich zeitlich begrenzte Angebote ein. Damit schaffst du ein Gefühl der Dringlichkeit bei deinen Kund*innen. Sie denken sich: "Wenn ich jetzt nicht kaufe, wird der Preis nie wieder so niedrig sein. Ich werde eine grossartige Gelegenheit verpasst haben." Oftmals entscheiden sie sich für die kurzfristige Belohnung und kaufen das Produkt [32]. 

Im Jahr 2011 führten die US-Forscher Michael I. Norton, Daniel Mochon und Dan Ariely eine Studie durch, in der die eine Gruppe IKEA-Aufbewahrungsboxen selber zusammenbauen musste, während die andere Gruppe die Aufbewahrungsboxen bereits zusammengebaut erhielt. Anschliessend wurden beide Gruppen gefragt, wie viel sie bereit sind, für die Aufbewahrungskisten zu bezahlen. Die drei Forscher stellten fest, dass die erste Gruppe einen deutlich höheren Preis für selbstmontierten Aufbewahrungsboxen zahlen würden als die Vergleichsgruppe. Die Arbeit, die die Teilnehmer*innen in den Aufbau investiert hatten, wirkte sich also positiv auf ihre Wertschätzung für das Produkt aus [33]. Zusammengefasst besagt der IKEA-Effekt also, dass Kund*innen für selbst hergestellte Produkte eine höhere Wertschätzung empfinden als für vergleichbare nutzfertige Produkte

Doch wie kannst du vom IKEA-Effekt profitieren? Zuerst solltest du wissen, dass wir heutzutage von einer Kund*innen-getriebenen Vorgehensweise im Marketing sprechen [34]. Das bedeutet, dass du deine Kundschaft nicht mehr nur als passive Kund*innen sehen solltest, sondern sie stattdessen zunehmend als Co-Entwickler*innen in die Produktgestaltung miteinbeziehst [35]. Dadurch werden Innovationen mit oder sogar durch die Kund*innen entwickelt. Zudem solltest du deinen Kund*innen die Möglichkeit bieten, dass sie deine Produkte und Services individualisieren können [34]. Obwohl hier nicht das selbstständige Aufbauen nach Anleitung, sondern die Individualisierung des Produkts im Vordergrund steht, wirkt am Ende ebenfalls der IKEA-Effekt [36]. Er verstärkt die positive Beziehung zum Produkt und zur Marke. Der IKEA-Effekt bietet sich für sämtliche Produkte an, bei denen sich Kund*innen aktiv an der Wertschöpfungskette beteiligen können [37]. Es ist allerdings wichtig, dass es sich um eine massentaugliche Individualisierung handelt. Denn im E-Commerce gilt: der Schnelle frisst den Langsamen. Die beiden Beispiele von Nike und mymuesli zeigen dir, wie sich der IKEA-Effekt im Online-Marketing anwenden lässt:

Abbildung 8: Sneaker im Nike Onlineshop individualisieren [38]

Abbildung 9: Müsli selber zusammenstellen inkl. individuellem Design [39]

Erinnerung

Wie du im Gedächtnis bleibst

Erinnerungen können aus bewussten, aber auch unbewussten Wahrnehmungen entstehen und beinhalten meist multimediale Elemente, welche sich aus Sinneseindrücken und den wahrgenommenen Gefühlen oder Emotionen zusammensetzen [40]. Für dich und dein Online Marketing bedeutet das, um überhaupt in Erinnerung zu bleiben, sollten während der Exposure möglichst starke Emotionen ausgelöst oder hervorgerufen werden. Ausserdem steigt mit einer Vielzahl von Impressionen auch die Wahrscheinlichkeit, Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu bewegen und so einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen [41].

Abbildung 10: Serial Position Kurve [42]

Weil in unserem Alltag die Menge an zu verarbeitenden Informationen zu gross ist, werden nur selektiv Informationen gespeichert. Ein Beispiel davon ist der Serial-position effect, welcher sich genau genommen aus zwei unterschiedlichen aber zusammenhängenden Effekten zusammensetzt. In einem Experiment bei dem Wörter nacheinander präsentiert und gemerkt werden müssen, fällt es uns leichter uns an die ersten und letzten Wörter zu erinnern. Auf der sogenannten serial position curve (siehe Abbildung 10) zeigen sich diese Tendenzen sehr deutlich.

Grund dafür sind der Primacy und Recency effect, welche uns die zu Beginn und am Schluss präsentierte Informationen am besten in Erinnerung behalten lassen. Wichtig ist hierbei, dass bei diesen Erinnerungen Informationen aktiv wahrgenommen und wiedergegeben werden können. Damit ergibt sich eine Abgrenzung zum Problembereich Informations- und Reizüberflutung, der man unbewusst ausgesetzt ist.

Für deinen Webshop bedeutet das zum Beispiel, dass der erste und letzte Eindruck, welcher ein Kunde beim Onlineshopping hat, besonders wichtig sind. Konkret heisst das, die Landingpage sollte schnell laden, ansprechend gestaltet sein und im Optimalfall einen potentiellen Kund*innen umhauen, um möglist starke Emotionen damit zu verbinden. Ein eventuell hoher Aufwand ist beim Entwurf der Landingpage oder besser gesagt bei der Gestaltung des ersten Eindrucks absolut gerechtfertigt und eine sinnvolle Investition.

Mit einem Blick auf die Customer Journey ist meistens eine abgeschlossene Bestellung oder der Kauf eines Produktes das Ende einer Conversion. Diesen letzten Eindruck gilt es jetzt ebenfalls positiv zu prägen um in Erinnerung zu bleiben. Sehr gut funktionieren dabei positive Verstärkungen in Form von Glückwünschen oder Gratulationen zu einem Kauf oder ein Spruch wie “vielen Dank für Ihre Bestellung”. Optimalerweise erfolgt diese Verstärkung sowohl im Webshop als auch über einen separaten Channel, wie zum Beispiel als Teil einer Bestätigungsmail.

Abbildung 11: Dankeschön-BONUS bei Pearl Onlineshop [43]

Ein übergeordnetes Ziel in deinem Webshop Design ist es einen Nutzer möglichst lange auf der Seite zu halten, deshalb sollte auch der vermeintlich letzte Eindruck zugleich der Start eines weiteren Einkaufserlebnis sein. Dies kann dank dem Tracking von Suchverhalten und der Anwendung von Algorithmen mit personalisierten Vorschlägen [44] für weitere Produkte oder einem zeitlich begrenzten Gutschein geschehen. In einem Webshop wie zum Beispiel pearl.ch können Kund*innen sogar nach Ausstellung der Bestellbestätigung weitere Artikel hinzufügen. Dadurch können Unternehmen mittels Cross- oder Upselling den Warenkorbwert steigern und die Customer Journey theoretisch nie enden lassen.

Und jetzt nochmals in Kürze

Unser rationales Verhalten wird durch eine Informationsflut, Zeitdruck und einen hohen Grad an Komplexität beeinträchtigt. All dies führt dazu, dass wir in unserem Alltag oft kognitiven Verzerrungen unterliegen. Sogar die Unfähigkeit, die eigenen kognitive Verzerrungen zu erkennen, ist nämlich eine Verzerrung in sich selbst (Blind Spot Bias) [45]. In Abbildung 12 findest du nochmals eine Übersicht aller in diesem Blog behandelten kognitiven Verzerrungen. Besprochene Phänomene, wie der IKEA-Effekt, können nicht nur genutzt werden, um Umsätze zu steigern, sondern auch um das Einkaufserlebnis der Kund*innen zu verbessern. Was für klassisches Marketing gilt, ist auch für die Nutzung von kognitiven Verzerrungen im Online-Marketing und -Vertrieb wichtig: Du musst deine Zielgruppe und Ziele kennen und deine Massnahmen entsprechend wählen, testen und verbessern [46].

Abbildung 12: Zusammenfassung der vorgestellten kognitiven Verzerrungen

Wir können dir nicht sagen, ob der Schlüssel zum Erfolg für deinen Onlineshop nun Testimonials sind oder doch eher der Dankeschön-BONUS. Wir empfehlen deshalb, hört auf den Online-Marketing-Experten Olivier Blattmann:

Probiere es einfach mal aus und schau was funktioniert!

Autor*innen

Hannes Gentz

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Tom Kusio

Marisa Moser

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Andrin Suter

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Nicola Zimmermann

Quellenverzeichnis

[1] Holt, J. (2011). Two Brains Running. In: The New York Times , 25. November 2011. URL: https://www.nytimes.com/2011/11/27/books/review/thinking-fast-and-slow-by-daniel-kahneman-book-review.html (aufgerufen am 01.05.2021).

[2] Friedman, B. M. (2008). Guiding Forces. In: The New York Times, 22. August 2008. URL: https://www.nytimes.com/2008/08/24/books/review/Friedman-t.html (aufgerufen am 01.05.2021).

[3] Hartmann, C. (2020). Sammelband über die Torheit. In Spektrum.de, 28. Februar 2020. URL: https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-die-psychologie-der-dummheit/1708192 (aufgerufen am 01.05.2021).

[4] Läge, D. & Mast F. (2016). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung: Denken, Urteilen, Entscheiden, Modul 6: Urteilen und Entscheiden I: Heuristics and Biases, S. 10.

[5] Abbildung 1: Cognitive Bias Codex. In: Wikimedia Commons 5. September 2016. URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a4/The_Cognitive_Bias_Codex_-_180%2B_biases%2C_designed_by_John_Manoogian_III_%28jm3%29.png (aufgerufen am 02.05.2021)

[6] Benson, B. (2016). Cognitive bias cheat sheet: Because thinking is hard. In: BetterHumans, 01. September 2016. URL: https://betterhumans.pub/cognitive-bias-cheat-sheet-55a472476b18 (aufgerufen am 18.04.2021).

[7] Mere-Exposure-Effekt. In: Wikipedia, 10. Mai 2020. URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Mere-Exposure-Effekt (aufgerufen am 20.04.2021).

[8] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung: Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 8: Online Marketing Mix, S. 18.

[9] Abbildung 2: Die Kund*in bei jeder Gelegenheit erreichen. https://www.isemo.de/wp-content/uploads/2017/12/google-display-advertising.jpg (aufgerufen am 22.04.2021).

[10] The Humor Effect: The Benefits of Humor and How to Use it Effectively. In: Effectiviology. URL: https://effectiviology.com/humor-effect/ (aufgerufen am 20.04.2021).

[11] Bizarreness effect. In: Wikipedia, 10. Februar 2020. URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Bizarreness_effect (aufgerufen am 20.04.2021).

[12] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung: Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 8: Online Marketing Mix, S. 28.

[13] Guerilla-Marketing: Auffallen im Werbezeitalter. In: Ionos. URL: https://www.ionos.de/digitalguide/online-marketing/verkaufen-im-internet/guerilla-marketing-werbung-mit-viralem-effekt/ (aufgerufen am 22.04.2021).

[14] Abbildung 3: Ungewöhnliche und witzige Werbung am Beispiel Mini Cooper. URL: https://www.zielbar.de/magazin/wp-content/uploads/2014/03/mini.jpg (aufgerufen am 22.04.2021).

[15] Anecdotal. In: Your logical fallacy is,. URL: https://yourlogicalfallacyis.com/anecdotal  (aufgerufen am 27.04.2021).

[16] Anecdotal Fallacy: Why Is The Use of Anecdotal Evidence Fallacious?. In: Fallacy in Logic,. URL: https://fallacyinlogic.com/anecdotal-fallacy-definition-and-examples/ (aufgerufen am 27.04.2021).

[17] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung: Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 3: Online Marketing Strategie, S. 7.

[18] Abbildung 4: Integration von Testimonials am Beispiel eines Online-Shops für Matratzen. Screenshot bei Happy. URL: https://happy.ch/ (aufgerufen am 01.05.2021).

[19] Bandwagon effect. In: Wikipedia, 25. April 2021. URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Bandwagon_effect (aufgerufen am 27.04.2021).

[20] Nichols, R. (2019). User Psychology: How to Harness the Bandwagon Effect in Ecommerce. In: AB Tasty, 01. Februar 2019. URL: https://www.abtasty.com/blog/bandwagon-effect/ (aufgerufen am 27.04.2021).

[21] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung: Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 7: Online Shopping und E-Commerce (Systeme), S. 53.

[22] Halo effect. In: Wikipedia, 26. April 2021. URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Halo_effect (aufgerufen am 27.04.2021).

[23] Birkett, A. (2016). The Halo Effect: How it Affects Marketing. In: CXL, 13. Juli 2016. URL: https://cxl.com/blog/halo-effect/ (aufgerufen am 27.04.2021).

[24] Ciabarra, M. (2019). Clicks to Bricks: The Halo Effect in E-commerce. In: WWD, 13. September 2019. URL: https://wwd.com/business-news/business-features/clicks-to-bricks-the-halo-effect-in-e-commerce-1203278121/ (aufgerufen am 27.04.2021).

[25] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 2: Faszination Online Marketing und -Vertrieb, S. 19.

[26] Nielsen, J., & Cardello, J. (2013). The Halo Effect. In: NN/g Nielsen Norman Group, 09. November 2013. URL: https://www.nngroup.com/articles/halo-effect/ (aufgerufen am 27.04.2021).

[27] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 5: Website Konzeption und zielorientiertes Webdesign, S. 24.

[28] Why do we value immediate rewards more than long-term rewards? Hyperbolic Discounting, explained. In: The Decision Lab,. URL: https://thedecisionlab.com/biases/hyperbolic-discounting/ (aufgerufen am 18.04.2021).

[29] Abbildung 5: Zahlungsoptionen bei Zalando. Screenshot bei Zalando. URL: https://www.zalando.ch (aufgerufen am 21.04.2021).

[30] Abbildung 6: Probeabo bei Netflix. Screenshot bei Giga. URL: https://www.giga.de/webapps/netflix/tipps/netflix-probemonat-anmelden-und-kostenlos-serien-streamen/ (aufgerufen am 27.04.2021).

[31] Abbildung 7: Angebot von yallo. Screenshot bei yallo. URL: https://www.yallo.ch/de (aufgerufen am 21.04.2021).

[32] Hart, M. (2021). Hyperbolic Discounting: How to Use This Psychological Bias to Sell More. In: HubSpot, 10. März 2021. URL: https://blog.hubspot.com/sales/hyperbolic-discounting (aufgerufen am 21.04.2021).

[33] Ariely, D. , Mochon, D. & Norton, M. I. (2011). The “Ikea Effect”: When Labor Leads to Love. In: Harvard Business School. URL: https://www.hbs.edu/ris/Publication%20Files/11-091.pdf (aufgerufen am 02.05.2021).

[34] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 2: Faszination Online Marketing und -Vertrieb, S. 26.

[35] Der Ikea-Effekt. In: Chrissy’s Marketing Corner, 12. Januar 2020. URL: https://marketingcorner.de/der-ikea-effekt (aufgerufen am 30.03.2021).

[36] IKEA-Effekt: Warum Ihre Produkte von DIY-Elementen profitieren. In: Ionos, 22. April 2020. URL: https://www.ionos.de/digitalguide/online-marketing/verkaufen-im-internet/ikea-effekt-im-marketing/ (aufgerufen am 30.03.2021).

[37] Basel, J. (2017).  IKEA-Effekt -  erfolgreich repliziert. In Kalaidos Fachhochschule Schweiz, 03. Mai 2017. URL: https://www.kalaidos-fh.ch/de-CH/Blog/Posts/Archiv/wp-1067-IKEA-Effekt-erfolgreich-repliziert (aufgerufen am 30.04.2021).

[38] Abbildung 8: Sneaker im Nike Onlineshop individualisieren. Screenshot bei Nike. URL: https://www.nike.com/ch/nike-by-you?cp=48148099718_search_%7Cnike+schuhe+selber+machen%7C10582185484%7C103508555246%7Ce%7Cc%7CDE%7Cextended%7C451994241318&gclsrc=aw.ds&&gclid=CjwKCAjwm7mEBhBsEiwA_of-TLQeS_BEGmrEuqM2tFfyatK4URl7XVfmF9a_96Vgmi-6VUeXxPLBxBoCSAkQAvD_BwE  (aufgerufen am 30.04.2021).

[39] Abbildung 9: Müsli selber zusammenstellen inkl. individuellem Design. Screenshot bei MyMuesli. URL: https://helpcenter.mymuesli.com/hc/de/articles/360001152813-Kann-ich-die-Müslidose-individuell-gestalten- (aufgerufen am 30.04.2021).

[40] Stangl, W. (2021). Erinnern. In: Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. URL: https://lexikon.stangl.eu/12064/erinnern (aufgerufen am 25.04.2021).

[41] Wang, P., Yang, J. & Xiong, G (2018). Serial Position Effects on Native Advertising Effectiveness: Differential Results Across Publisher and Advertiser Metrics. In: Journal of Marketing, 11. Dezember 2018. URL: https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0022242918817549 (aufgerufen am 25.04.2021).

[42] Abbildung 10: Serial position curve. In: Wikipedia. URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Serial-position_effect#/media/File:Serial_position.png (aufgerufen am 25.04.2021).

[43] Abbildung 11: Dankeschön- BONUS bei Pearl Onlineshop . In: Konversionskraft URL: https://www.konversionskraft.de/conversion-optimierung/danke-und-tschuss-2.html#gallery-11 (aufgerufen am 25.04.2021).

[44] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung: Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 7: Online Marketing Mix, S. 52.

[45] Bias blind spot. In: Wikipedia, 27. November 2020. URL: https://en.wikipedia.org/wiki/Bias_blind_spot (aufgerufen am 03.05.2021)

[46] Blattmann, O. (2021). Vorlesungsunterlagen zur Vorlesung: Online-Marketing und -Vertrieb, Modul 3, S.25.